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Symposium "City 2020" in Freiburg

„Wo bleiben eigentlich die Hausbesetzer,

wenn man sie mal braucht?“

21. Juni 2013 / Eurojournal

Bei CITY 2020 wurde lebhaft diskutiert. Und auch gelacht. Foto: KL Moderation einer Kleingruppe

Bei CITY 2020 wurde lebhaft diskutiert. Und auch gelacht.
Foto: KL

CITY 2020 – Gestaltung einer lebenswerten Stadt

(KL) – Die wertvollste Ressource einer modernen Demokratie ist eine engagierte Zivilgesellschaft, die bereit ist, am Leben in ihrer Stadt (oder Region) mitzuwirken. Dies konnte man einmal mehr gestern beim Symposion der Freiburger Denkfabrik e.V. und der Initiative ImWandel.org überprüfen. An einem Donnerstagnachmittag waren rund 50 Teilnehmer und Teilnehmerinnen für einen ganzen Nachmittag in die Aula der Uni Freiburg gekommen, um gemeinsam über die Zukunft ihrer Stadt zu sprechen.

Nach einleitenden Kurzreferaten teilten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in Workshops auf, die sich mit Fragen der „Stadtplanung“, des „Menschen in der Stadt“ und der „Kultur“ beschäftigten. Vertreter verschiedener Vereine, Verbände, Initiativen, interessierte Bürgerinnen und Bürger – alle diskutierten auf gleicher Augenhöhe und kamen auf wertvolle Ideen und Erkenntnisse.

So war eines der Themen im Workshop „Stadtplanung“ die in Freiburg grassierende Gentrifizierung, sprich, die Entmietung alter Stadtviertel, Luxussanierung und Vermietung zum deutlich höheren Preis – diese leider verbreitete Praxis wird immer mehr zum Problem, da sie gewachsene Stadtviertel und deren soziale Strukturen zerstört und sozial schwächere Menschen immer weiter heraus aus der Stadt drängt. Neben Vorschlägen, wie dieses Phänomen auf politischer Ebene angegangen werden konnte, stellte ein Teilnehmer eine typisch Freiburger Frage – „Wo bleiben eigentlich die Hausbesetzer, wenn man sie mal braucht?“.– Dreisameck, Schwarzwaldhof und Co. lassen grüßen…

Dann wurde die Frage aufgeworfen, ob Freiburg einen „Masterplan“ für seine Entwicklung braucht, wie ihn zu Beginn des letzten Jahrhunderts der damalige Freiburger Bürgermeister Otto Winterer aufgestellt hatte. Eine genaue Antwort auf die Frage gab es allerdings nicht. Einig war sich dieser Workshop, dass die Stadt Freiburg, ähnlich wie die Stadt Ulm, stadteigene Grundstücke weniger nach dem Gesichtspunkt des kommerziellen Erfolgs, als nach dem Kriterium der Lebensqualität verkaufen solle.

Der Workshop „Kultur / Bildung“ wartete am Ende mit einem ganz konkreten Projekt auf. Es soll eine Xing-Plattform (Internet-Plattform) ins Leben gerufen werden, um auch Eltern stärker in den Bildungsprozess einzubinden. Denn, wie auch in den anderen Workshops angesprochen, ist Bildung das zentrale Element für Integration, was beispielsweise in Stadtvierteln wie Landwasser, wo fast die Hälfte der dort lebenden Menschen aus insgesamt 35 Ländern stammt, eine sehr wichtige Rolle spielt. Dazu sollen mehr ältere Menschen in die Schulen geholt werden, um Kindern und Jugendlichen auch den Zugang zur Lebenserfahrung älterer Generationen zu ermöglichen. Diese Xing-Plattform soll in den nächsten sechs Wochen ins Leben gerufen werden.

Zur Frage „Menschen in der Stadt“ erwies sich bereits die Definition des „Bürgers“ oder der „Bürgerin“ als schwierig. Wer sind die Bürgerinnen und Bürger, die mit ins Boot geholt werden sollen? Die Älteren, die sich eine begrünte Innenstadt mit Begegnungsmöglichkeiten wünschen, dafür aber der Ansicht sind, dass die Nutzung eines Smartphones ein Anzeichen für Autismus ist oder die jungen Generationen, die sich eher flächendeckende und kostenlose Hotspots in der City vorstellen?

In seinem Schlusswort ermutigte der Vorsitzende der Freiburger Denkfabrik Maximilian Erlmeier die Teilnehmer, den Diskussionen auch konkrete Projekte folgen zu lassen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, denn einer der sehr wichtigen Begleitfaktoren dieser Symposien (CITY 2020 fand nun zum dritten Mal statt) ist, dass sich die Teilnehmer untereinander kennenlernen und vernetzen können. Daraus entstehen, wie sich bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, Synergien, die es zu nutzen gilt.

Daher sollte CITY 2020 als eigenständiges Format noch sichtbarer und effizienter auftreten. Diese hervorragende Veranstaltungsreihe, die von hoch engagierten Menschen in ihrer freien Zeit organisiert wird, hätte es verdient, mehr als ein Diskussionsforum zu werden. Denn diese haben leider die Angewohnheit, im Laufe der Jahre zur Unkenntlichkeit zu schrumpfen.

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Nichtsdestotrotz muss man den Veranstaltern Lob und Anerkennung zollen. Hier sind engagierte Bürgerinnen und Bürger am Werk, denen das Wohl und die Zukunft ihrer Stadt am Herzen liegen. Daher wäre es schön, wenn ein solches Forum in Zukunft zum festen Ansprechpartner der Stadt würde und sich gleichzeitig so aufstellt, dass mehr Menschen ihre Meinung zum Ausdruck bringen können. Vielleicht ist dann auch mal jemand dabei, der weiß, dass Freiburg keine glückliche Insel hinter den Winden ist, sondern fest eingebunden in einen trinationalen Kontext am Oberrhein. Diese Dimension wurde bei den Debatten leider ausgeklammert und sollte vielleicht bei der nächsten Ausgabe von CITY 2020 thematisiert werden.
Denn eine nächste Ausgabe von CITY 2020 muss es geben. Auch, wenn eine solche Veranstaltung einen enormen organisatorischen Aufwand bedeutet.
Es lohnt sich.

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